Die Pleite des amerikanischen Start-Up-Finanzierers Silicon Valley Bank (SVB) zieht weitere Kreise. Auch in Deutschland haben einige Firmen mit Hilfe des US-Risikofinanzierers und seiner Tochterbank Kredite bekommen, die nun nicht mehr ausgezahlt werden können. Kunden der deutschen Zweigstelle in Frankfurt, der Silicon Valley Bank Germany, sind unter anderem der Münchener Lufttaxi-Entwickler Lilium und die Kochbox-Lieferanten HelloFresh.
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Das sind die Folgen für die Silicon Valley Bank Germany
Doch insgesamt ist das Deutschlandgeschäft des Instituts eher klein, es hat nur eine Teilbank-Lizenz. Damit stelle die Notlage der Silicon Valley Bank Germany keine Bedrohung für die Finanzstabilität dar, schreibt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in einer Mitteilung. Zuvor hatte die BaFin ein Moratorium für den Kundenverkehr der deutschen Zweigstelle der Silicon Valley Bank angeordnet, das einem Zahlungsverbot gleichkommt.
Es bestehe die Gefahr, dass das Institut seinen Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht mehr nachkomme, heißt es in der Mitteilung der BaFin weiter. Wer also jetzt noch Geld von der Bank-Tochter zu bekommen hat, könnte leer ausgehen. Außerdem wurde die Silicon Valley Bank Germany für den Verkehr mit ihrer Kundschaft geschlossen.
Lässt sich ein Käufer für die Silicon Valley Bank Germany finden?
Die Schließung und der Zahlungsstopp sollen es ermöglichen, die Bank in einem geordneten Verfahren zu sichern und notfalls abzuwickeln. Es wäre denkbar, dass sich – wie für die britische Tochterbank – ein Käufer findet, in dem Fall die Großbank HSBC. Das britische Geschäft war wesentlich größer als das in Deutschland.
Insgesamt soll die Silicon Valley Bank in Europa rund 3.600 Kunden haben. Dabei handelt es sich um Geldgeber und um Unternehmen, wie Start-ups, die von der Bank mitfinanziert wurden.
Weltweites Beben an den Finanzmärkten - Einlagen in den USA gesichert
Die weltweiten Kapitalmärkte haben heftig auf die Schieflage der SVB reagiert. Insbesondere Bankaktien verloren erheblich an Wert. Die Angst vor einer neuen Bankenkrise kehrte an die Finanzmärkte zurück. Allerdings sei die Welt heute eine andere als damals, schreibt Devisenmarktexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank in einem Marktkommentar. Politik, Zentralbanken und Finanzmarktteilnehmer hätten aus der Finanzkrise gelernt und Instrumente entwickelt, mit denen solche Krisen eingedämmt werden könnten.
In den USA ist inzwischen die Regierung eingesprungen. Sie hat die in Schieflage geratene Silicon Valley Bank (SVB) in Kalifornien gerettet und alle Einlagen abgesichert. Alle Anleger könnten ab heute auf ihr gesamtes Geld zurückgreifen, heißt es. Bis gestern war das nicht sicher. Gerettet wurde auch die in New York ansässige Signature Bank. Sie war ebenfalls unter staatliche Verwaltung gestellt worden.
Lindner sieht keine Gefahr durch Schieflage von Silicon Valley Bank
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht die Stabilität des europäischen Finanzsystems infolge der Schieflage der amerikanischen Silicon Valley Bank (SVB) nicht gefährdet. "Wir sehen, dass die amerikanische Regierung und Finanzinstitutionen entschlossen gehandelt haben", sagte der FDP-Politiker am Montag in Brüssel vor einem Treffen mit den Finanzministern der Euro-Länder. Es gebe eigene Behörden in Europa, in Deutschland beispielsweise die Finanzaufsicht, die die Situation fortwährend beobachteten. "An der Stabilität haben diese Institutionen keinen Zweifel gelassen."
USA wollen Bankenaufsicht stärken
US-Präsident Joe Biden hat Konsequenzen für die Verantwortlichen angekündigt. So hatte der Chef der SW Bank Greg Becker wohl im Januar bereits seine Aktien an dem Institut verkauft. Außerdem will die US-Regierung die Bankenaufsicht stärken und größere Banken schärfer regulieren. Am Donnerstag und Freitag hatte ein Run auf die kalifornische Bank eingesetzt. Der Grund war ein Fehlbetrag von 1,8 Milliarden Dollar. Die Inhaber von Konten wollten daraufhin ihre Gelder zu anderen Instituten überweisen. Das führte zur Insolvenz der Bank und dazu, dass sie unter staatliche Aufsicht gestellt wurde.
Was ging schief bei der Silicon Valley Bank?
Die SVB hat vor allem Start-ups und Wagniskapitalgeber als Kunden, bei ihnen genoss die Bank bisher hohes Ansehen. Während des Tech-Booms der vergangenen Jahre hatten Start-ups und Grown-Ups, also die größeren und schon erfolgreicheren unter ihnen, sehr viel Geld eingenommen. Anleger wollten in allem investiert sein, das mit Internet und Digitalisierung zusammenhing, und vertrauten den Unternehmen mehr Kapital an, als die eigentlich brauchten.
Silicon Valley Bank schwamm genauso im Geld wie Start-ups
Auch der Silicon Valley Bank gelang es nur noch teilweise, die vielen Einlagen ihrer Kunden in den gewünschten Projekten, wie Start-ups, sinnvoll unterzubringen. Die waren oft schon versorgt von Private Equity-Firmen und anderen Investoren. Also legte die SVB den großen Rest der Gelder am Finanzmarkt an. Dabei wählte die Bank auch Anleihen, wie Staatsanleihen oder Hypothekenkredite, die im Zuge der Zinswende dann aber stark an Wert verloren.
Der Zinsanstieg setzte nicht nur die Kurse der Anleihen unter Druck, sondern erschwerte auch die Risikofinanzierung für die High-Tech-Firmen, von denen viele nun auch mit Kostenproblemen zu kämpfen hatten. Die Folge war eine beispiellose Welle von Einsparungen im Silicon Valley.
Zinswende brachte neue Situation für Hightech-Industrie und ihre Bank SVB
Bekannteste Folgen sind die Massenentlassungen, die es vorher so noch nicht gegeben hatte. Selbst Branchenführer wie Alphabet (Google), Amazon, Apple oder Meta (Facebook) durften nicht mehr so viel Geld verbrennen und forderten von ihrer Bank, der SVB, nun auch einen Teil ihrer Anlagen zurück. Doch die Bank war auf diese Situation nicht vorbereitet wegen ihres fehlenden internen Risikomanagements. Sie musste nun viele von ihren mittel- bis langfristig angelegten Anleihen mit Verlust verkaufen, die stark an Wert gefallen waren, um kurzfristig die Rückforderungen ihrer High-Tech-Anleger zu erfüllen. Das gelang nur zum Teil.
Selbst Kapitalerhöhung konnte SVB nicht mehr retten
Da die Silicon Valley Bank für den Fall möglicher Kundenforderung viel zu wenig Liquidität zurückgestellt hatte, entstand ihr bei den vorgezogenen Anleiheverkäufen ein Schaden von knapp zwei Milliarden Dollar. Um das auszugleichen, wollte die Bank ihre Eigentümer, die Aktionäre und andere Investoren anzapfen zwecks einer Kapitalerhöhung.
Doch die Schieflage hatte sich schnell herumgesprochen, es folgten weitere Abhebungen und Bankguthaben. Die Aktie geriet ins Trudeln und mit ihr auch die Bereitschaft von Aktionären zusätzliches Kapital zu geben. Für ein paar Stunden bestand sogar die Befürchtung, dass andere Banken über die Börse mitgerissen werden, in den Abwärtssog der SVB.
Milliardenbeträge fehlen plötzlich in der Bilanz
Generell sitzen weltweit sehr viele Banken und Investoren auf hohen Kursverlusten mit ihren Anleihen, die sie vor der Zinswende gekauft haben. 2022 sind selbst deutsche Bundesanleihen in ihrem Kurswert zeitweise um 18 Prozent nach unten gerauscht und das, obwohl sie als mündelsichere "Witwen- und Waisenpapiere" gelten. Das hat es in diesem Ausmaß noch nicht gegeben und war so auch nicht erwartet worden. Auch Privatanleger kennen das, wenn ihre Rentenpapiere und Anleihen im letzten Jahr drastisch an Wert verloren haben.
Wie groß ist die Gefahr für andere Banken?
Auch die deutschen Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie Privatbanken mussten deshalb viele Milliarden Euro an Wertberichtigungen bei ihren Geldanlagen vornehmen, sofern es sich um Anleihen handelte. Ein Zwischenzeitlicher Kursverlust ist nur dann von Interesse, wenn die Bank, wie die SVB, wegen hoher Rückforderungen ihrer Kunden ihre eigenen Spareinlagen auflösen muss.
Risikomanagement soll vor Bank-Run schützen
Davor soll die Banken wiederum ein Risikomanagement schützen, dass es bei der US-Bank SVB so nicht gegeben hat. Der übliche Risiko-Vorstand und sein Geschäftsbereich wurden wegen einer Gesetzeslücke in der US-Bankenregulierung weitgehend eingespart.
Das ist bei deutschen Bank nicht der Fall. Bei Sparkassen und Privatbanken einschließlich der genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken kommt noch etwas anderes hinzu. Sie verfügen über hohe Spareinlagen ihrer Kunden und können außerdem von der EZB im Zweifelsfall über verbilligte Kredite viele Löcher stopfen, bevor es für sie so eng werden könnte, wie in den USA für die SVB.
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Author: Barbara Yates
Last Updated: 1702517161
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